Biste was, haste Schal.

Ein kurzes Essay über die Ikonographie in einer ganz speziellen Branche.

Scarf

Besondere Menschen brauchen abgrenzende und bestätigende Wiedererkennungsmerkmale.

Sie bekennen damit die Zugehörigkeit zu einer besonderen Kaste Homo Sapiens. 1968. Studenten-Revolten. Sartre. Existentialismus. Schwarzer Rollkragen! Ein Signal für anderes, für kritisches Denken. Später von Architekten und Kultur-Verantwortlichen übernommen. Und von Steve Jobs. Dem Architekten einer neuen Digital-Kultur. Dann kam David Beckham. Ja, dieser Fußballer, der als Aushängeschild einer neuen Bewegung galt. Der Bewegung der Metro-Sexualität. Fußball war auf einmal nicht mehr dumm. Der Sport wurde intelligent. Wurde Kultur. Wurde Fashion. Wurde sensible Kreativität. Und mit ihr kam die Kunst. Man erinnere sich. Künstler und Theaterschaffende trugen in den 80er und 90er Schal. Nicht draußen zum Mantel. Sondern als Statement zum Hemd und Pullover zur Alltagskleidung. Der Schal wurde durch Metrosex in das Millennium rübergerettet. Von gefühlsechten Andersdenkenden. Von einer neuen Äußerlichkeit im Gewand des nachhaltigen Sinnierens. Wer was auf sich hält, wer glaubhaft vermitteln will, er sei Künstler, Andersdenkender, Weltverbesserer, ein Mitglied einer neuen intellektuellen Elite, der trägt Schal.

 

Biste was, haste Schal!

Das Schal-Syndrom greift um sich. Und wird zum Icon. Die Ikonographie des neuen Besseren, Durchdachteren. Kein Wunder, dass die Spezies Schalträger heute vor allen Dingen in Kreativ-Agenturen beobachtet wird. Der Schal schützt vor dem Makel der Banalität. Einem Schalträger glaubt man mehr. Seine Kreativität ist durchdachter. Ist richtiger. Sein Denken ist stringenter, fokussierter. Schaler Beigeschmack? Und wenn schon. Schal-Tragen ist Key Visual der Kreativwirtschaft. Die kennen sich ja aus mit Markierung. Gut so.

Ich bekenne: Ich habe Schal. Ich weiß auch: Alles ist vergänglich. Trends gehen, und es kommen neue.

 

Seit längerer Zeit sieht man des Öfteren Kreativ-Homo Sapiens mit großen Wollmützen, tief in den Nacken gezogen durch die Agentur-Gänge schlurfen. Aber das ist eine neue Geschichte. 

 

 

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