In Zeiten von KI: braucht es da noch Agenturen?

Haben Agenturen noch eine Daseinsberechtigung? Nein! Ja! Aber anders.

Die Debatte zur Zukunft von Marketing, Werbung und Marke, sie läuft und läuft. Und wir haben in unserer Branche immer mehr oder weniger gut auf die aktuellen Begebenheiten reagiert. Wir haben uns transformiert. Wir haben neu gelernt.

Ein kurzer Rückblick:

Im Zuge der Entwicklung des Online & Social Media Marketings in den 2010er Jahre gab es mindestens die erste große Disruption. Marke trat in den Hintergrund. Social Media Manager, die wenig von Markenführung und Werbung verstanden, die aber genau wussten, wie redaktionelle Arbeit funktioniert, machten lustige Social Media Posts. Posts, die manchmal echt kurzweilig waren, aber häufig wenig mit dem Kern der Marke zu tun hatten, für die sie werben sollten. Und doch wurden die Posts häufig geklickt. Perfekt. Klicks waren ja schließlich die harte Währung.

Corona gab uns den nächsten großen Kick! Das Online Marketing boomte. E-Commerce beispielsweise ist in der Phase des ersten Lockdowns von Februar auf April 2020 genauso stark gewachsen wie in den vergangenen 10 Jahren von 2009 bis 2019 [“Retail Reimagined | Marketing & Sales” von McKinsey, Konsumentenbefragung in den USA, UK, Frankreich und Deutschland]. Und jetzt ging Performance Marketing durch die Decke. Hat ja auch weitgehend gut funktioniert.

Kurz nach der Pandemie erlebte die Purpose-Diskussion ihren neuen großen Höhepunkt. Wir erfuhren am eigenen Leib, wie verwundbar wir und die Welt sind. Der Ukraine-Krieg befeuerte unsere Suche nach Sicherheit, Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und … Sinn. Quasi mit Doppel-Wumms wurde nun das Why, die Suche nach dem Sinn der Marke, der neue Heilsbringer. Denn in der Tat, einige Marken haben es zuvor schmerzhaft durchlebt: In Folge des mehrjährigen Hochhaltens der Sales-Fahne waren Depots der Markenwirkung aufgebraucht. Nachdem irgendwann die Sinn-Schwüre verbannt wurden und man zu sehr auf die leadgenerierende Kommerzialisierung der Kommunikation setzte. Es fehlte die emotionale Begründung, warum die Menschen eine bestimmte Marke kaufen sollten. Adidas machte den Anfang und setzte ganz öffentlichkeitswirksam wieder auf Marke. Ganz viele Brands aus unterschiedlichen Branchen folgten. Zuletzt musste Konkurrent Nike sehr deutlich spüren, dass man die eigene Marke verraten hatte.

Die heiße Diskussion Brand vs. Performance wird aktuell immer weiter befeuert. Vielleicht auch, weil die Marketing-Lehre doch besagt, gerade in Krisenzeiten auf die differenzierende Kraft der Marke zu setzen und dem Publikum Orientierung zu geben. Aber gleichzeitig in Krisenzeiten der lange Atem fehlt und man auf die kurzfristige Kraft von Sales-Maßnahmen setzt.

🔥 Die größte disruptive Verwerfung unserer Branche.

Doch dann stieg 2024 auf einmal eine neue artifizielle Wunderwaffe wie Phönix aus der Asche. Rauf ans Firmament der Marketing-Branche: Heute erleben wir die einschneidendste Veränderung seit Bestehen unserer Branche. Durch generative KI!

Wir werden viel lernen müssen. Wir werden viel ändern müssen. Unser Skill-Set. Unsere Arbeitsweisen. Unsere Denkweise. Laut einer Studie von LinkedIn werden sich 70 % der bei der Arbeit notwendigen Skills bis 2030 wandeln.

Ganz besonders spüren das die Agenturen, die seit Jahren unter Druck stehen, und jetzt nach dem Ablegen erster Panik, versuchen müssen, sich ganz neu zu erfinden.

Sascha Lobo zeichnete im April im Spiegel ein düsteres Bild: “[..] klassische Agenturen werden [..] bald vor dem Nichts stehen.” Der Bericht ist plakativ geschrieben. Die automatisierte und KI-gesteuerte Werbemaschinerie rolle auf uns zu. Und wir müssen uns fragen, wofür brauche es noch Agenturen? Wenn die KI doch die Anzeigen erstelle, Hunderte von Motivadpationen perfekt teste, die Motive zielgruppengerecht aussteuere! Die großen Plattformen wie Google, Meta und Amazon sacken die großen Werbegelder ein, denn sie können dies alles leisten. Also, wofür brauche es da noch Agenturen? Lobo lässt die Antwort auf die Frage offen. Setzt aber hinzu, dass keine andere Branche es so oft geschafft hat, sich zu wandeln. Wir werden es also auch dieses Mal schaffen.

Und wie?

Die LinkedIn Studie “Skills im Trend 2025” liefert ein interessantes Ranking der wichtigsten Fähigkeiten in Zeiten der KI-Transformation. Die drei wichtigsten können wir meiner Meinung nach 1:1 auf die Agenturbranche übertragen und als den neuen perfekten Dreiklang unserer Arbeit “transponieren”:

Skill 1: Kunden-Management

Skill 2: KI-Kompetenz

Skill 3: Strategisches Denken

Die Zukunft von Agenturen liegt hier:

✅ Kunden-Management

Überlebenswichtig, um relevant zu bleiben: das Erkennen der Bedürfnisse des Kunden, das Schaffen von Vertrauen und die überzeugte Verbundenheit mit der Marke. Das gilt zum einen für die Beratung der Agentur-Kunden durch empathische Agentur-Manager – als Sparringspartner, als Impulsgeber, als Mentor, als Rückendecker und als leidenschaftliche Verfechter einer gemeinsamen Sache. Das gilt zum anderen aber auch, wie Marken geführt werden sollten. Und wo im Marketing künftig der wertvolle Fokus gesetzt werden sollte. Agenturen müssen sich Skill-Sets rund um Customer Experience, Service-Management, Plattform-Ökonomie und Infrastrukturen aneignen. Service wird die neue Werbung. Weniger Ads, mehr Experience. Macht mehr Vertrauen und mehr Kundenbindung.

✅ KI-Kompetenz

Versteht sich von selbst. Der offene Umgang mit der neuen Technologie ist überlebenswichtig. KI ist die größte Disruption in unserem Business der letzten Jahrzehnte.

Fahrlässig, wenn wir uns nicht damit auseinandersetzen.

  1. Weil wir Agentur-Prozesse effizienter machen können und mehr Zeit zum kreativen Denken haben.  Texter, Art Direktoren und Designer werden immer mehr zu Konzeptern. Und Projektmanager immer mehr zu Beratern.
  2. Zum anderen, weil wir verstehen müssen, wo im Marketing der Faktor KI entscheidenden Mehrwert geben kann und wo wir Maßnahmen anpassen müssen, weil KI die Wahrnehmung, die Akzeptanz und Reichweite von Werbemaßnahmen verändert.

Wir werden sehr schnell erkennen, dass pure Umsetzung als Agenturleistung bald ausdienen wird. Und wir werden spüren, dass die folgende Fähigkeit der entscheidende Agentur-Skill werden wird.

✅ Strategisches Denken

Weg vom Tagesgeschäft, rein da, wo wir unseren Kunden von Grund auf helfen können. Dorthin, wo wir Marken den entscheidenden Schub nach vorn geben können. An die Wurzeln kreativer Arbeit: Der Generierung von Ideen, losgelöst von Kunden-Silos im freien Raum. Im wortwörtlichen Sinne: Als Agenten, als treibende Kraft. Als im Auftrag Handelnde. Als Verbundene in der Sache.

Strategisches Denken entfacht Kreativität. Strategisches Denken boostet die Analyse. Strategisches Denken macht empathisch für die Bedürfnisse von Zielgruppen. Strategisches Denken hilft zu differenzieren.

Die Strategie ist der wertvolle (und damit wertschöpfende) Beitrag von Agenturen. Der Ausgangspunkt ist die Analyse. Als Agent bzw. als externer Sparringspartner ist das Draufschauen, das von außen Betrachten, das Aufgliedern einer Ausgangslage in einzelne Herausforderungen viel effektiver und schöpferischer als als betriebsblinder Interner selbiges zu schaffen.

Ich bin mir sicher, Agenturen werden ihre Strategie-Abteilungen weiter ausbauen. Sie werden die kreativeren Unternehmensberatungen sein. Sie werden die besseren Consultants sein, weil sie am Erfolg gemessen werden. Und nicht nach der Analyse die Kunden allein lassen mit der Umsetzung.

Gleichzeitig werden Marken-Artikler ihre Marketing-Abteilungen noch stärker in verschiedene Fokusbereiche aufgliedern. Zum einen in Brand Marketing bzw. Brand Strategy. Brand Management und Branding. Zum andren bewirkt die Automatisierung, dass sich Marketing noch stärker in prozess- und positionierungs-orientierte Abteilungen aufspalten wird wie Performance Marketing, Customer Experience Marketing und CRM.

Hier braucht es jemanden, der von oben draufschaut und mit Impulsen gegensteuern kann. Die Agentur. Als Anwalt der Marke.


🙏 Agenturen werden bleiben. Sie werden sich ändern. Sie werden effektive Marketingberatungen werden. Mit weniger Commodity-Geschäft, mit mehr Brain.

Auch mit Unterstützung durch KI …



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