Die Zukunft des Fernsehens – Teil 1

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Die Branche der TV-Geräte-Hersteller hat in den letzten Jahren eine rasante Aufwärtsentwicklung genommen. Angefangen hat diese 2001 mit der ersten marktrelevanten Einführung des LCD Fernsehers durch Sharp.

Fortan wollte die Welt flach glotzen und nicht mehr in die Röhre schauen. Seit 2005 verdiente die Branche mehr Geld mit dem Absatz von Flachbild-Geräten als mit dem Verkauf von CRT-Geräten. Der LCD-Fernseher versprach hochauflösende, realistische Bilderwelten. Flaches Design hielt Einzug ins deutsche Wohnzimmer. Das Innenleben der Geräte bestand ab jetzt aus Chips, RAM und Software. Nicht mehr aus Elektronenbeschleuniger, Drähten und Braun’scher Röhre. Heute werden Röhren-Fernseher nicht mehr hergestellt.

 

Soviel zur Vergangenheit. Fernsehen war gestern. In naher Zukunft wird sich die Art und Weise des „Fernsehens“ grundlegend ändern.

 

„Ich gucke fern.“ Das wird man in Zukunft nicht mehr sagen. Der User – der Begriff „Zuschauer“ wäre falsch – wird praktischerweise nicht mehr unterscheiden zwischen Live-Bewegtbild (das frühere Fernsehen), zwischen On-Demand-Video, zwischen vertiefendem Content (auch geschriebenen) sowie Zusatzfeatures. Aber auch nicht mehr zwischen Inhalte-Anbietern oder „Fernseh-Anstalten“.

 

Wir stehen aktuell vor einem Paradigmenwechsel. Computer und TV werden eins.

Das Breitband-Internet und digitale Technologien revolutionieren

  • den Charakter des Fernsehens,
  • die Bedienung und Navigation des Geräts,
  • die Kommunikation mit Freunden über Gesehenes sowie
  • die Kommunikation mit dem „Sender“ und dem „Gesendeten“.

 

Mittels eines Touchpad-Controllers navigiert der Konsument bequem vom Sofa in und zwischen den Inhalten. Das Interface wird, nein muss – ähnlich wie Browser bzw. Betriebssystem eine Navigationsschnittstelle beim Computer bilden – bedienfreundliche Navigationsplattform für sämtliche Bewegtbild- und verlinkte Kommunikationsangebote sein. Hierbei tritt der direkte Zugriff auf Internetseiten oder Abrufplattformen von „Sendern“ in den Hintergrund. Diese Oberfläche, also das Betriebssystems des „TV-Gerätes“ und des Controllers, wird selbst zur aggregierten Distributionsplattform. Sie ermöglicht es dem Nutzer gleichermaßen Empfänger und Sender zu sein. So wird Direct Response TV (DRTV) Wirklichkeit und endlich sexy. Der Nutzer ist Seher, Programmdirektor, Chefredakteur, Networker … und Konsument.

 

Zwischen lean back, nebenbei und multi-tasking

Ein typischer TV-Abend sieht zukünftig also etwa so aus: Ich starte den Flatscreen, welcher über eine schnelle Breitband-Verbindung mit dem Internet verbunden ist. Auf meinem Controller, der über das hausinterne WiFi-Netz mit dem „Bildempfänger“ (früher mal „Fernseh-Gerät“ genannt) verbunden ist, wird mir eine Liste von Programm-Empfehlungen angezeigt, welche anhand meines Vorlieben- und Nutzerprofils erstellt wurde. Ein Freund hat mir ein Video zum Thema „Produktdesign“ empfohlen. Ich editiere die Playlist. Diese Playlist wird auch automatisch über mein digitales Social Network für Freunde sichtbar gemacht.

Schon 20 Uhr. Automatisch startet die Nachrichtensendung. Das ist jeden Tag so, weil ich es so will. Der Aufmacher der News ist wieder einmal zum Thema „Demokratiebestrebungen in Syrien“. Mein Controller bietet einen Echtzeit-Stream von Twitter-Feeds und Facebook-Posts zum Thema an. Gut. Fast immer sind Twitter und Facebook schneller als die Nachrichtenredaktionen. Ich ziehe also ein zweites Fenster auf, um Nachrichten und Social Media Stream gleichzeitig zum TV-Bild zu konsumieren. Da meine Familie mit mir auf dem Sofa sitzt und das auch will, aktiviere ich den zweiten Frame auch auf dem großen Bildschirm. Die Auflösung und Größe des Bildschirms ist optimal. Das Lesen der scharfen TrueType-Schrift stellt kein Problem dar. Die Nachrichtenredaktion bietet mir parallel einige Hintergrundinfos zu Syrien an. Da ich das spannend finde, ziehe ich noch ein drittes Fenster auf. Eine gut aufbereitete interaktive Seite erscheint und gibt mir überblickartig sozio-demographische Details. Das soeben gesagte, kann ich nun besser verstehen und einordnen. Huch, wo liegt Syrien noch einmal ganz genau? Im vierten Screen verschaffe ich mir parallel einen Überblick via Google Maps.

Kaum sind die Nachrichten vorbei, bimmelt ein guter Freund, ein Fotograf aus Japan, per Skype bei uns durch. Da wir alle recht adrett aussehen und so schön gemeinsam auf dem Sofa versammelt sind, aktiviere ich die Kamera. Schließlich hat der Japaner meine Familie lange nicht mehr gesehen. Er zeigt uns eine kleine Diashow seiner neuesten Fotos. Wir sind begeistert. Zum Abschluss verabreden wir uns für morgen um die gleiche Zeit zu einer Runde Online-Scrabble. Mein japanischer Bekannter kommt dann sowieso erst aus dem Büro.

Meine Playlist sieht nun den neuesten Film von Quentin Tarantino on-demand vor. Gut so. Danach schaue ich mir noch kurz das von einem Freund empfohlene Youtube Video an. Spitze! Ich muss es kommentieren und mit meinem Twitter-Netzwerk teilen.

Die Familie verabschiedet sich ins Bett. Ich aber freue mich zum Highlight des Fernsehabends auf den Live-Box-Kampf. Natürlich bin ich auch Kamprichter und gebe nach jeder Runde meine Wertung ab. Die Zuschauer-Wertung wird in Echtzeit eingeblendet, wenn ich es will. Das hilft mir, ein Gefühl dafür zu entwickeln, ob ich den Kampfverlauf richtig einschätze. Der Sponsor des Fights offeriert ein Gewinnspiel. Ich beantworte die Frage. Nicht so schwer. Meine im System hinterlegten  Kontaktdaten werden verschlüsselt übermittelt.

In den Rundenpausen zeigt der Programmanbieter natürlich Werbung. Gar nicht so schlimm. Ich sehe nur das, was ich will und was meinen Wünschen und meinem Bedarf entspricht. Keine Streuverluste für die Unternehmen und kein Genervtsein bei mir. Ich bin „getargetet“ und der Adserver liefert personalisierte Werbung aus. Ahh, interessant. Das präsentierte Elektro-Auto für eine grünere Welt interessiert mich. Ich klicke den Info-Button auf meinem Controller und bekomme einen Überblick der technischen Details geliefert. Als die Kamera über das Cockpit fährt, lasse ich meinen Finger über diese Stelle im Controller-Bild fahren und ein Pop Up mit weiteren Details springt auf. Ich klicke auf „Angebot“ und mir wird morgen ein individuelles Paket offeriert. Der Hersteller wünscht, dass ich noch ein paar Fragen zur Evaluation des Commercials beantworte. Mache ich gern. Schließlich gibt es hierfür Bonuspunkte, welche ich z. B. gegen kostenpflichtige On-Demand-Filme einlösen kann.

Vom während der nächsten Ringpause mediterran und überaus ästhetisch in Szene gesetzten Wein ordere ich sofort eine Kiste, indem ich auf den „Hot-Button“ tippe.

Der Kampf ist zu Ende. Ich drücke den Like-Button. Das hilft dem Programm-Anbieter, Rückmeldung über die Qualität der Übertragung zu bekommen. Als ich im Dashboard sehe, dass es schon 1 Uhr ist, entscheide ich mich nun so langsam fürs Schlafen. Vorher aber eben noch über die Wetter-App die himmlische Lage von morgen checken. Nach dem Deutschland-Überblick kommt die individualisierte regionale Wettervorschau. Gut, sternenklare Nacht und morgen Sonne. Was will man mehr…

 

Heute schon…

Dass ein solcher Nebenbeikonsum verschiedener Medien durchaus heute schon passiert, zeigen diverse Studien, unter anderem die Tomorrow Focus Media Studie „The Digital Day – Mediennutzung 2011“ Und: Man muss nur mal während GNTM, DSDS oder parallel zu Fußball-Spielen auf Twitter nach den entsprechenden #Hashtags schauen. So schnell kann man gar nicht lesen, wie die Timeline geflutet wird. Sogar Big Brother wurde gerade um einen Monat verlängert, weil der Parallel-Erfolg der Big Brother Facebook Seite das Fernseh-Ereignis noch intensiver gestaltet hat und den Zuschauern einen interessanten Rückkanal angeboten hat.

Dass die Konvergenz von Internet und Fernsehen neue Chancen bereit hält für Konsumenten, Medien und Werbedienstleister, versteht sich von selbst.


Hmmm. Je mehr ich über all das nachdenke, das ist doch alles old school. Wir werden bald in unserem Wohnzimmer auf dreidimensionale, Verzeihung, in dreidimensionale Hologramme schauen, sie mit unseren Händen navigieren – wie auf einem unsichtbaren Touchscreen. Wir werden mittendrin sein im Geschehen. Die Matrix lässt grüßen. Die elektrischen Spannungen in unserem Gehirn werden direkt auf das Gesehene Einfluss nehmen. Die Neuromarketing-Forschung der letzten Jahrzehnte hat sich also doch noch ausgezahlt. Wir werden multiplen mehrdimensionalen Sounds lauschen, welche von einer versteckten Quelle ausgehend im Raum über unsichtbare Schallwände audiophil in unser Ohr gelenkt werden. Wir werden die Familienmitglieder aus einer anderen Stadt mit am virtuellen Geschen teilhaben lassen. Wir werden…. ach was, genug jetzt. Mehr dazu beim nächsten Mal.

 

[Der 2. Teil befasst sich mit den Herausforderungen und Chancen der Medien, der Werbedienstleister und der TV-Gerätehersteller (Achtung: Apple iOS 5 TV kommt! Siehe die kürzlich wieder aufgeflammten Gerüchte. ]

 

2 Kommentare zu „Die Zukunft des Fernsehens – Teil 1

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